Stereotypen. Wenn ich in der OKJA ein Kind kennenlerne, über dessen Fluchterfahrung ich beispielsweise informiert bin, habe ich direkt eine Vorstellung davon, wie seine/ihre Situation aussieht. Schnell fallen einige Begriffe ein: ‚Angst vor Wasser‘ / ‚Trauma‘, eben jene eine Geschichte. Das ist tatsächlich ja aber nur ein Bild. Das Kind selbst hat dabei noch viele andere Lebenswelten, Hobbys, Wünsche, Ziele, Interessen, die Familie. Es sind vielfältige Geschichten, die erzählt werden sollen. Diese Erzählungen aufzugreifen und aufzufangen ist sehr wichtig. Die pädagogische Aufgabe der OKJA liegt neben der Gruppenbegegnung der Kinder und Jugendliche miteinander in der Begleitung und Unterstüt- zung der Fachkräfte. Auch durch Zoom und Skype besteht während der Schließung der Einrichtungen durch Corona die Möglichkeit, sich auf digitalem Wege bilateral auszutauschen und so auch die Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen der letzten zwei Monate aufzufangen. Mit Blick auf Schulen und Kitas, wo wir gerade von sogenannten Rollingsystems sprechen und keine Regelbeschulung stattfindet und viel Zeit zu Hause verbracht wird, sind diese digitalen Formen des Gesprächs zumindest eine Ergänzung. Die OKJA ist jedoch grundsätzlich da nochmal ein ganz anderer Entlastungsraum, ein freierer Raum. Ich glaube, dass OKJA als offener Raum, in dem es auch viel um Mitgestaltung geht, besondere Möglich- keiten birgt, mit Kindern und Jugendlichen ins Gespräch zu kommen.“ S. L.: „Da wir ja jetzt schon am Rande mehrfach über analoge und digitale Aktionen gesprochen haben und gerade während der Corona-Zeit die digitalen Aktionen als Ergänzung oder ‚Vertretung‘ der OKJA fungiert haben, würde mich inter- essieren, wie sich die Beziehung zwischen Medialität und Empowerment vorstellen lassen würde, da insbesondere Jugendliche über mediale Plattformen kommunizieren und sich über diese mitteilen.“ S. N.: „Ich selbst sehe das zwiegespalten. Ich denke zum einen, dass, wenn es nicht anders geht, auch mediale Ge- spräche unterstützend wirken können. Wenn wir aber gezielt von Empowerment als Machtsharing, das Teilen von Privile- gien sprechen, dann braucht man dafür auch Gruppenräume, um dort Erfahrungen zu teilen (digital wäre das natürlich möglich), aber es bedarf auch vieler Überlegungen. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass der vermehrte Umstieg auf di- gitale Angebote auch ganz tolle neue Konzepte hervorbringen kann, vielleicht ist es für manche Menschen sogar passender und niedrigschwelliger. Vielleicht gilt es sich generell von dem Vergleich zwischen digitaler oder präsenter Beratung zu lösen, sondern den digitalen Raum als neue Möglichkeit für sich stehend zu sehen, mit anderen Vor- und Nachteilen.“ 2020 S. L.: „Glaubst du, dass die diversitätsreflektierte Arbeit nach der Corona-Zeit noch wichtiger wird, um in dieser Zeit auf- scheinende Problematiken aufzufangen?“ S. N.: „Das finde ich gar nicht so leicht zu beantworten. Aber ja, ich kann mir schon vorstellen, dass durch Corona, insbe- sondere was Ressourcen betrifft, vieles nochmal deutlicher wird, denn wir müssen uns die Frage stellen: Wer hat mediale Geräte zu Hause? Und wer kann diese auch uneingeschränkt nutzen? Und warum gibt es Menschen, die keinen Zugriff haben und damit auch nicht teilnehmen können? Natürlich war das vorher auch ein Thema, aber die Frage nach Bildung und Partizipation wird jetzt einfach nochmal sichtbarer, und die Auseinandersetzung mit vorherrschenden Privilegien verschärft sich nochmal. Auch mit Blick auf #connect war der Wunsch sehr groß, auch traumapädagogische Module einzubauen. Um nochmal zu differenzieren, was das Trauma ist, und wie dafür sensibilisiert werden kann. Es gibt viele Menschen, die in Spannungsverhältnissen leben, wo wir gerade jetzt noch einmal gezielter hinschauen müssen, und da braucht es jetzt Angebote, und auch zukünftig müssen nachhaltige Handlungsideen entworfen werden, die stetig neu diskutiert werden.“ S. L.: Vielen Dank Sarah. Leider müssen wir nun zum Ende kommen, abschließend würde mich jedoch noch interessie- ren, was für dich Vielfalt in wenigen Worten bedeutet? S. N.: Vielfalt = Unterschiedlich sein dürfen. 33